von Stefan Dorner.
Passau. ÖEL steht in großen orangen Buchstaben auf der weißen Jacke, die in der Ecke des Kreisbrandrat-Büros über einem Stuhl hängt. Sie gehört ÖEL Josef Ascher. Dem Örtlichen Einsatzleiter des eine Woche dauernden Katastrophen-Falls, in dem der Landkreis Tag und Nacht gegen ungeheuere Schneemassen und einsturz gefährdete Dächer ankämpfte.
Der Wettlauf ist ohne größere Schäden gewonnen worden. In einer beispiellosen Hand-in-Hand-Aktion haben 4000 Menschen aus verschiedenen Organisationen zusammen geholfen. Ascher zog von der Einsatzzentrale aus die Fäden. Der besonnene, ruhige und winter erprobte Bayerwaldler aus Breitenberg hat im Schnee-Chaos den Durchblick behalten.
»Das war wirklich eine Katastrophe«
Ascher ist keiner, der zum Übertreiben neigt, und ein Feind von reißerischen Meldungen. »Doch das, was sich bei uns abgespielt hat, war wirklich eine Katastrophe. Das hat diese Bezeichnung verdient«, sagt der44-Jährige. 700 betroffene Gebäude, über 1000 Alarmierungen, verheerende Straßenverhältnisse, 4000 Einsatz- und Hilfskräfte und tonnenweise Schnee.»Es war der Wahnsinn, was die Leute hier geleistet und damit das Schlimmste verhindert haben«, betont Ascher und schüttelt den Kopf. »Wenn man gesehen hat, wie sich die Menschen geschunden haben, dann muss man vor jedem einzelnen den Hut ziehen. Alle zusammen haben Übermenschliches geleistet. «Vor allem, als die Krise ihren Höhepunkt erreichte, in der Nacht auf und am Freitag, als es nicht mehr aufgehört hat zu schneien und sich zur eisigen Kälte scharfe Windböen gesellten, war nicht nur Ascher der Verzweiflung nahe. »Manchmal, als die Helfer oben gestanden sind auf den 20 000 Quadratmeter großen Flachdächern und es Schaufel für Schaufel abgearbeitet haben«, grübelt Ascher. »Manchmal hat man da von der Effektivität her schon das Gefühl gehabt, wie wenn man Wasser in die Donau schüttet. «
Am Mittwoch vergangener Woche um 10 Uhr hatte Landrat Hanns Dorfner den Katastrophen-Alarm ausgelöst, weil die Feuerwehr schon die Nacht hindurchwie wild arbeitete, aber kein Land mehr sah. »Es war wohl die größte Rettungsaktion und das schlimmste Schnee-Chaos im Passauer Raum seit Jahrzehnten«, meint Ascher. Und für ihn der erste Katastrophen-Einsatz als Kreisbrandrat seit seinem Amtsantritt im Dezember 2004.
Die Arbeit draußen ist vorbei. Handy, Telefon und Piepser verhalten sich ruhig auf seinem Schreibtisch. Doch daneben türmt sich bereits allerhand Papierkram. Der »K-Fall Februar 2006« muss dokumentiert werden.»Vor allem geht es darum, dass die Schäden an den Gebäuden festgestellt werden können, damit die Leute möglichst schnell, unbürokratisch und nach einem gerechten Schlüssel finanzielle Hilfe bekommen. « Zirka fünf Millionen Euro haben die Einsätze und Schäden an Kosten verursacht.
Gigantisch: 126 000 Stunden im Einsatz
Der Kreisbrandrat hat mittlerweile auch relativ konkrete Zahlen überdie Aktionen an sich. Vor allem eine »Hausnummer« scheint auf den ersten Blick unglaublich: Sage und schreibe 126 000 Arbeitsstunden haben die 4000 Helfer von Feuerwehr, THW, Bundeswehr, Polizei, Malteser Hilfsdienst, vom Roten Kreuz sowie freiwillige Schaufler und Mitarbeiter der betroffenen Firmen geschuftet. »Wenn man diejenigen aufschlüsselt, die an mehreren Tagen da waren, dann waren es über 15 000 Einsatzkräfte. 13 000 davon waren Leute von Feuerwehren aus dem Landkreis«, erklärt Ascher und kennt für die Dynamik, die die einzelnen Organisationen mit- und untereinander entwickelt haben, nur ein Wort: »Gigantisch!«Ihnen ist es zu verdanken, dass lediglich zirka 20 zumeist ältere landwirtschaftliche Gebäude dem Druck nachgegeben haben. »Wir können mit unserer Arbeit absolut zufrieden sein«, bilanziert Ascher. »Auch die Zahl der Unfälle hielt sich mit fünf in Grenzen. Allerdings ist es trotzdem schlimm und traurig genug, dass zwei Kameraden bei den Einsätzen schwer verletzt wurden«, bedauert er und wünscht sich, dass die Feuerwehrler aus Kasberg und Nürnberg schnell wieder auf die Beine kommen. Ascher steht ständig in Kontakt zu den Ärzten im Klinikum Passau. Zusammen mit dem Landkreis will die Feuerwehr den Männern helfen, wo es nur geht. Der Familie des Franken sollen zum Beispiel keine Kosten entstehen, solange sie auf Besuch da ist. Auch hier war sich der Krisenstab einig, als er am Donnerstag um 8.30 Uhr zum letzten Mal zusammen trat. Acht Tage und neun Nächte hat der K-Fall gedauert, bis der Landrat Entwarnung geben konnte.
Josef Ascher ist seitdem kein ÖEL mehr, sondern wieder »normaler«Kreisbrandrat. Auch seine Frau und die zwei Töchter sind froh, dass der Papa endlich mehr Zeit hat. »Gott sei Dank waren genug Fotos zu Hause, damit sie mich nicht vergessen haben«, scherzt der 44-jährige, der zum Teil nur für drei Stunden Schlaf daheim war.